27. Mai 2019 – UBS Wochenkommentar Rück-/Ausblick
Neue Kräfteverhältnisse auf dem alten Kontinent
Nach der Rücktrittsankündigung von Theresa May stehen mehr Fragezeichen denn je hinter den zukünftigen Beziehung zwischen Grossbritannien und der EU. Neben dem Brexit sind die Ergebnisse der Europawahlen zu Beginn der neuen Woche das bestimmende Thema. Im weiteren Verlauf stehen wichtige Konjunkturindikatoren – sowohl für die Schweiz als auch die USA – auf der Agenda.
Der 24. Mai 2019 könnte als „May-Day“ in die Geschichte eingehen. An diesem Tag kündigte Theresa May ihren Rücktritt als britische Premierministerin an. In einer emotionalen Rede räumte die Regierungschefin das Scheitern des von ihr mit der EU ausgehandelten Brexit-Vertrages ein. Als aussichtsreicher Kandidat für Mays Nachfolge gilt Boris Johnson. Der Ex-Aussenminister hat seine Bereitschaft, das Amt zu übernehmen, bereits bekräftigt. Er betonte zudem, dass Grossbritannien der EU nach Ablauf der Frist bis zum 31. Oktober den Rücken kehren werde – mit oder ohne Abkommen. (Quelle: Thomson Reuters, Medienbericht, 24.05.2019)
Nachdem sich die Hinweise auf den Rückzug der Regierungschefin zuvor bereits verdichtet hatten, reagierten die Märkte relativ gelassen auf die Erklärung. Das Britische Pfund machte gegenüber dem US-Dollar am vergangenen Freitag sogar etwas Boden gut. Allerdings hatte das Devisengespann GBB/USD in den vergangenen Wochen deutlich nachgegeben (siehe Grafik).¹
Brexit: „No Deal“ bis „Alles beim Alten“
Mark Haefele, Global Chief Investment Officer bei UBS CIO GWM, hält in punkto Brexit nach der jüngsten Entwicklung mehrere Szenarien für möglich. Seiner Ansicht nach liegt ein Ausstieg der Briten aus der EU ohne Vertrag wieder auf dem Tisch. Neben Johnsons Kandidatur spricht dafür die breite öffentliche Unterstützung für die neu gegründete Brexit Partei. Für den Fall eines „No-Deal-Brexits“ könnte das Britische Pfund laut CIO GWM bis 1.15 US-Dollar abwerten. Erst auf diesem Niveau wären die Folgen für die britische Wirtschaft in der Währung eingepreist.
Als weitere Möglichkeit skizziert Haefele eine erneute Verschiebung des Austritts. Dadurch könnte Grossbritannien Zeit gewinnen, um die zukünftigen Beziehung zur Europäischen Union zu definieren. In diesem Szenario sieht der Kapitalmarktexperte das FX-Duo GBP/USD in einer sich von 1.28 bis 1.34 US-Dollar erstreckenden Handelsspanne. In Abhängigkeit von der Nachrichtenlage könnte es innerhalb dieser Range zur einen oder anderen Rallye kommen. Auf lange Sicht hält Mark Haefele aber auch ein Bekenntnis der Briten zur EU für möglich. Er verweist darauf, dass in Umfragen zu einem möglichen zweiten Referendum die Befürworter der EU-Mitgliedschaft eine knappe Mehrheit haben. Sollte es tatsächlich dazu kommen, dürfte sich das Pfund der Kaufkraftparität annähern. Diese Marke taxiert UBS CIO GWM momentan auf rund 1.58 US-Dollar. (Quelle: UBS House View – CIO Audio Alerts & Reactions, 24.05. / Resignation of UK prime minister adds to Brexit uncertainty)Britische Pfund: Es bleibt spannend
Beim Währungspaar GBP/USD könnten sich also weiterhin verschiedene Trading-Opportunitäten bieten. Egal, ob Anleger eine kurzfristige Spekulation eingehen oder GBP-Bestände gegen Wechselkursschwankungen absichern möchten: Auf UBS KeyInvest finden sie zahlreiche Hebelprodukte, die eine Positionierung – sowohl auf der Long- als auch der Short-Seite – möglich machen.
Europawahl: Weichenstellung in Brüssel
Neben dem Thema Brexit beschäftigt sich die EU in der neuen Woche intensiv mit dem Ergebnis der Europawahlen. Beim Urnengang büssten die konservative Europäische Volkspartei (EVP) und die Progressive Allianz der Sozialdemokraten (S&D) ihre absolute Mehrheit ein. Neben der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (Alde) konnten die Grünen deutlich zulegen. Und auch Populisten und Nationalisten verfügen zukünftig über mehr Sitze im Europäischen Parlament. Der Wahlausgang könnte Einfluss darauf nehmen, wer das wichtigste Amt innerhalb der EU übernimmt. Schon in dieser Woche werden in Brüssel erste Weichenstellungen für die Nachfolge von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erwartet. (Quelle: Thomson Reuters, Medienbericht, 27.05.19)
Neben der Politik rücken an den kommenden Tagen unterschiedliche Konjunkturindikatoren in den Fokus. Beispielsweise veröffentlicht in der Schweiz das SECO am Dienstag die aktuelle Quartalsschätzung für das Bruttoinlandsprodukt. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters gehen Analysten im Schnitt davon aus, dass die Wirtschaftsleistung von Januar bis März 2019 gegenüber dem Vorquartal um 0.4% zugenommen hat. Einen Tag später steht das KOF-Konjunkturbarometer auf der Agenda. Zwei wichtige Stimmungsbarometer aus den USA kommen am Freitag auf die Märkte zu: Neben dem Einkaufsmanagerindex aus Chicago wird das Verbrauchervertrauen der Universität Michigan veröffentlicht. Hier zu Lande dürften sich einige Investoren zu diesem Zeitpunkt bereits in das verlängerte Wochenende verabschiedet haben. Am Donnerstag ist Auffahrt, die Schweizer Börse SIX bleibt daher für eine Sitzung geschlossen.GBP/USD 5 Jahre¹
Stand: 27.05.2019; Quelle: UBS AG, Bloomberg
¹) Bitte beachten Sie, dass vergangene Wertentwicklungen keine Indikationen für künftige Wertentwicklungen sind.
Konjunkturtermine
Datum | Zeit | Land | Ereignis |
28.05.2019 | 07:45 | CH | BIP-Quartalsschätzung 1. Quartal 2019 |
28.05.2019 | 08:00 | CH | Handelsbilanz April 2019 |
28.05.2019 | 08:30 | DE | GfK-Konsumklima Juni 2019 |
28.05.2019 | 15:00 | US | CaseShiller Häuserpreisindex März 2019 |
29.05.2019 | 09:00 | CH | KOF-Konjunkturbarometer Mai 2019 |
29.05.2019 | 09:55 | DE | Arbeitsmarktbericht Mai 2019 |
30.05.2019 | 14:30 | US | BIP 2. Schätzung 1. Quartal 2019 |
31.05.2019 | 08:30 | CH | Detailhandelsumsätze April 2019 |
31.05.2019 | 09:00 | DE | Detailhandelsumsätze April 2019 |
31.05.2019 | 15:45 | US | Chicago Einkaufsmanagerindex Mai 2019 |
31.05.2019 | 16:00 | US | Uni Michigan Verbrauchervertrauen Mai 2019 |
Stand: 27.05.2019; Quelle: Thomson Reuters
Weitere Blogeinträge:
Alle Jahre wieder
Traditionell treten die Notenbanken auf der Zielgeraden eines Börsenjahres noch einmal auf den Plan.
Shoppingfieber – bei Verbrauchern und Investoren
Der November 2024 hatte es an den Börsen und darüber hinaus in sich.
Volatiles Marktgeschehen
Positive und negative Überraschungen geben sich bei den heimischen Grosskonzernen in der laufenden Berichtssaison die Klinke in die Hand.