07. Juni 2022
Bühne frei für Madame Lagarde
In der Schweiz hat der Inflationsdruck im Mai 2022 noch einmal deutlich zugenommen. Der Landesindex der Konsumentenpreise legte gegenüber dem Vorjahresmonat um 2.9 Prozent zu. Damit erreichte die Inflation das höchste Niveau seit September 2008. Ökonomen hatten im Schnitt für den Mai mit einem Anstieg von 2.6 Prozent gerechnet. Als treibende Faktoren hebt das Bundesamt für Statistik die höheren Preise für Mieten, Heizöl und viele Lebensmittel hervor. Fest steht, dass die Teuerung in der Schweiz nun den vierten Monat nacheinander über dem von der SNB angestrebten Zielband von null bis zwei Prozent lag.
Man darf gespannt sein, ob und gegebenenfalls wie die Nationalbank auf diese Entwicklung reagiert. Am 16. Juni steht die nächste geldpolitische Lagebeurteilung durch die heimischen Währungshüter an. Im März hatte die SNB ihren expansiven Kurs noch einmal bestätigt: Neben dem Leitzins von minus 0.75 Prozent stellt die Bereitschaft, falls erforderlich gegen den Franken an den Devisenmärkten zu intervenieren, die zentrale Säule ihrer Geldpolitik dar. (Quelle: Refinitiv, Medienbericht, 02.06.2022)
Suche nach Antworten
Bereits am Donnerstag findet die nächste Sitzung der Europäischen Zentralbank statt. Ihr Rat trifft sich in Amsterdam, um nach Antworten auf die rekordhohe Inflation in der Eurozone zu suchen. Im Mai legten die Verbraucherpreise – angetrieben vor allem von den steigenden Kosten für Energie – gegenüber dem Vorjahresniveau um 8.1 Prozent zu. Damit übertraf die vom Europäischen Statistikamt gemeldete Inflationsrate die Markterwartung um 40 Basispunkte. Insofern ist der Druck auf die EZB gestiegen, eine geldpolitische Straffung einzuläuten. Seit 2014 bewegt sich ihr Leitsatz im negativen Bereich – momentan beträgt er minus 0.5 Prozent. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat zuletzt eine Kehrtwende in Aussicht gestellt. Der Französin zufolge könnten die Negativzinsen bis zum Ende des dritten Quartals 2022 Geschichte sein. (Quelle: Refinitiv, Medienbericht, 31.05.2022)
Mit diesem Statement hat Lagarde dem Euro auf die Sprünge geholfen. In Relation zum US-Dollar wertete die Einheitswährung seit dem Verlaufstief vom 13. Mai 2022 deutlich auf.* Neben der europäischen nimmt die US-Geldpolitik massgeblichen Einfluss auf das FX-Gespann EUR/USD. In den Staaten kommt die Notenbank am 14. und 15. Juni zu ihrer nächsten Sitzung zusammen. Die Märkte gehen mittlerweile mit einer Wahrscheinlichkeit von 99.3 Prozent davon aus, dass der Fed-Offenmarktausschuss den Leitzins dann um 50 Basispunkte auf die neue Spanne von 1.25 Prozent bis 1.50 Prozent erhöht. (Quelle: CME FedWatch Tool, Internetabfrage am 03.06.2022)
Aktuelle Inflationsdaten
Die Energiepreise nehmen massgeblichen Einfluss auf die allgemeine Inflation. Wie sich die Teuerung in der Schweiz im Mai entwickelt hat, erfahren die Märkte am kommenden Donnerstag. Laut Refinitiv gehen Ökonomen im Schnitt davon aus, dass der Landesindex der Konsumentenpreise seinen Vorjahreswert um 2.6 Prozent übertrifft. Eine Teuerung in Höhe von 7.5 Prozent erwartet der Konsens für den Mai in der Eurozone – dieser Indikator wird bereits am Dienstag publiziert. Ob und inwieweit der Preisauftrieb den Konsum beeinflusst, könnten die aktuellen Detailhandelsumsätze zeigen. Sie werden morgen für die Schweiz und tags darauf für Deutschland publiziert.
US-Jobmotor brummt
Der aktuelle Arbeitsmarktbericht aus den USA hat das Szenario einer markanten geldpolitischen Straffung untermauert. Im Mai 2022 sind in den Staaten ausserhalb der Landwirtschaft 390’000 Stellen entstanden. Von Reuters befragte Ökonomen hatten im Schnitt „nur“ mit 325’000 neuen Jobs gerechnet. Insgesamt bewegt sich die Beschäftigung in den USA nun nur noch um 822’000 Arbeitsplätze unter dem Niveau von vor der Corona-Pandemie. Covid-19 hatte bekanntlich zu einem regelrechten Job-Kahlschlag geführt. Die Arbeitslosenrate betrug im Mai, wie schon in den beiden vorhergehenden Monaten, 3.6 Prozent. (Quelle: Refinitiv, Medienbericht, 03.06.2022)
Kurz vor ihrer Sitzung bekommen die Fed-Währungshüter noch die aktuellen Inflationsdaten an die Hand. Am Freitag wird der Consumer Price Index (CPI) für den Mai 2022 veröffentlicht. China meldet die Teuerungsrate für den vergangenen Monat am selben Tag. Vor dem Wochenende läuft auch noch das von der Universität Michigan ermittelte Verbrauchervertrauen für die USA über den Nachrichtenticker. Dieser Indikator dürfte zeigen, ob und inwieweit die hohe Inflation der Kauflust der Konsumenten in der weltgrössten Volkswirtschaft einen Abbruch tun kann.
Landesindex der Konsumentenpreise Schweiz (Veränderung ggü. Vorjahresmonat in %)
Stand: 02.06.2022; Quelle: Bundesamt für Statistik BFS
*Bitte beachten Sie, dass vergangene Wertentwicklungen keine Indikationen für künftige Wertentwicklungen sind.
Wichtige Termine
Datum | Uhrzeit | Land | Ereignis |
08.06.2022 | 01:50 | JP | BIP (revidiert) 1. Quartal 2022 |
08.06.2022 | 07:45 | CH | Arbeitslosenrate Mai 2022 |
08.06.2022 | 08:00 | DE | Industrieproduktion April 2022 |
08.06.2022 | 08:00 | GB | Halifax Häuserpreisindex Mai 2022 |
08.06.2022 | 11:00 | EZ | BIP (revidiert) 1. Quartal 2022 |
09.06.2022 | 05:00 | CN | Handelsbilanz Mai 2022 |
09.06.2022 | 13:45 | EZ | EZB: Zinsentscheidung |
10.06.2022 | 03:30 | CN | Konsumentenpreise Mai 2022 |
10.06.2022 | 14:30 | US | Konsumentenpreise Mai 2022 |
10.06.2022 | 16:00 | US | Universität Michigan Verbrauchervertrauen Juni 2022 |
Stand: 07.06.2022; Quelle: Thomson Reuters
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